Nichts mehr?

Nachdem deine Beerdigung vorbei war ich sehr, sehr traurig. Irgendwie war jetzt alles vorbei. Ich habe deinen Schmetterlingspapa angesehen und gesagt: jetzt gibt es nichts mehr, was ich noch für ihn tun kann. Und es steckt ein bisschen Wahrheit darin. Ich kann dich nie wieder in den Arm nehmen. Nie wieder streicheln. Ich kann dich nie wieder küssen, stillen, in den Schlaf wiegen. Ich kann dich nie wieder beschützen. Nie wieder trösten und zum Lachen bringen. Aber es ist auch sehr falsch. Dein Schmetterlingspapa hat es mir gesagt und er hat Recht. Ich kann noch ganz viel für dich tun. Ich kann von dir erzählen. Ich kann deine Bilder und Videos zeigen und dafür sorgen, dass du nicht vergessen wirst. Ich kann jeden Tag mit Liebe in meinem Herzen an dich denken. Ich kann dir von schönen Dingen erzählen, die ich erlebe, und auch wenn du nicht mehr hier bei mir bist kann ich dir trotzdem noch sagen, dass ich dich liebe. Und es gibt noch viel mehr, was ich tun kann. Ich kann für andere Schmetterlingseltern da sein und ihren Schmerz mit ihnen teilen. Ich kann sagen: Ich verstehe dich. Es wird nie wieder gut, aber es wird einfacher werden. Ein kleines bisschen einfacher. Ich kann dafür sorgen, dass aus deinem Tod etwas gutes wächst. Ich kann dafür sorgen, dass andere Familien, denen es schlecht geht, etwas haben um sich zu freuen. Ich kann all das in deinem Namen tun und ihn so in die Welt tragen. Ich kann dafür sorgen, dass es auf diese Weise nicht umsonst war. Ich kann deine Geschichte erzählen, wie tapfer und stark und duldsam du warst. Wie schön und wie wunderbar. Und vielleicht kann ich ihre Sicht auf die Welt ein bisschen verändern. Und ich kann Dinge tun von denen ich weiß, dass sie dir gefallen hätten. Und wer weiß, vielleicht siehst du mir manchmal dabei zu. Und vielleicht freust du dich darüber. Ich kann für dich nicht aufgeben. Ich kann weitermachen für dich, stark bleiben und kämpfen. Ich kann versuchen, wieder glücklich zu sein, ein kleines bisschen. Und wir können kleine Brüder und Schwestern bekommen für dich, und ihnen von dir erzählen. Eigentlich gibt es noch ganz viel, was ich für dich tun kann. All das sind Dinge, die nie aufhören. Dein Leben ist vielleicht zu Ende, aber das Band, das uns verbunden hat, endet nie. Und so lange ich lebe werde ich für dich Dinge tun, im Großen und im Kleinen. Manche Aufgaben hören nie auf. Und diese gehört ganz sicher dazu.

Erbe

Was ist das Erbe eines Kindes? Was hinterlässt so ein kleiner Mensch an Dingen, wenn das Leben so schrecklich kurz war? Du hattest keine Zeit, um weltlichen Besitz anzusammeln, kleiner Schmetterling. Du hattest keine Zeit, um viele Menschen kennenzulernen, Freundschaften zu schließen und zu ‚leben‘. Materiell hinterlässt du nichts als deine Kleider und ein paar Spielzeuge, ein Bett, einen Autositz und einige Kleinigkeiten. Zwei, drei Kartons voll. Aber dein Erbe ist größer, so viel größer als das. Du hast mir viel hinterlassen. Du hast mir Geduld geschenkt. Die Geduld um zu sagen: das ist jetzt gerade so. Warten wir ab, es wird anders werden. Du hast mir Mitgefühl geschenkt, noch viel mehr als zuvor. Du hast meine Fähigkeit verstärkt für und mit anderen zu lachen und zu weinen und an ihren Leben teilzuhaben, mit meinem ganzen Herzen. Du hast mir Offenheit geschenkt und Mut, die Möglichkeit der Welt zu sagen: das bin ich, mit all meinen Fehlern und Macken. Du hast mir Verständnis geschenkt dafür, dass Menschen manchmal so sind wie sie sind und dass jeder seine Geschichte im Gepäck hat und sich deshalb so verhält, wie er sich verhält. All diese Dinge habe ich im Kleinen schon vorher besessen, aber sie haben sich zigfach verstärkt durch dich. Du hast mir noch mehr als zuvor Bewusstsein für den Moment geschenkt und für den Wert, den die schöne Zeit mit unseren liebsten hat. Man muss den Augenblick genießen, wenn er da ist. Und du hast diese Dinge nicht nur uns, sondern durch deinen Kampf auch Anderen hinterlassen. Und du hast uns Menschen geschenkt, die durch dich und deine Geschichte für uns da sind. Ich schrieb über die Gemeinschaft, und mit ihr kommt etwas ganz wichtiges. Du hast mir den Wunsch geschenkt, etwas davon zurückzugeben. Du hast mir den Willen geschenkt, für andere Menschen da zu sein, wenn sie traurig sind, egal ob ich durch Familien- oder Freundschaftsbande mit ihnen verknüpft bin, oder nicht. Ich weiß, wie es ist, wenn ‚Fremde‘ da sind und einen stützen und ich weiß wie wichtig es ist wenn jemand sagt: Ich nehme Anteil. Ich bin mit dir traurig. Ich bin für dich da, egal woher wir uns kennen. Wenn jemand einfach eine liebe Nachricht hinterlässt, weil er berührt ist. Ich wünsche mir, dass dieses Erbe wie ein Schneeball ist, der eine Lawine auslöst, oder wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, der zu einem Tornado anwachsen kann. Ich wünsche mir, dass aus deiner Geschichte Gutes entsteht. Es hat schon begonnen. Und ich wünsche mir, dass es größer wird, wächst und gedeiht, bis das Licht, das dadurch entsteht, heller ist als die Sonne. Du hast ein riesiges Erbe hinterlassen, mein Schmetterling. Nicht materiell. Aber in meinem Herzen. Im Herzen deines Schmetterlingspapas. Im Herzen deiner Familie, deiner Freunde und im Herzen all derer, die dich auf deinem Weg ein Stück begleitet haben oder uns noch auf unserem Weg begleiten. Auch ein kleiner Mensch kann sehr große Fußstapfen hinterlassen. Ich danke dir dafür.