Früh genug

In der letzten Zeit habe ich viele Kinder gesehen, die wie du gegen den Krebs gekämpft haben, mein Schmetterling. Kinder, die noch sehr klein waren, wenn auch manchmal älter als du. Ich habe auch Kinder gesehen, die gegen andere Krankheiten verloren haben, nach langem und schwerem Kampf. Allen war eines gemeinsam. Sie waren müde. Ihr Blick war leer. Sie hatten ihr Leuchten verloren, sahen gleichgültig aus gegenüber dem Leben, leidend, krank und erschöpft. Der Kampf hatte sie mürbe gemacht, sie gebrochen. Er hat zu lange gedauert, manchmal jahrelang. Der Funke, der die Lebensfreude ausmacht, war erloschen. Diese Bilder sind so hart zu sehen. Kleine Kinder sollten froh sein, sie müssen lachen und Spaß am Leben haben. Der Kampf macht ihre Herzen alt, und ihren Geist.

In der Karte, in der wir davon erzählten, dass du deine Flügel bekommen hast, steht Folgendes:

Und als Gott sah, daß der Weg zu lang,
der Hügel zu steil,
das Atmen zu schwer wurde,
legte er seinen Arm um ihn und sprach:
„Komm heim.“

Ich musste sehen, wie du müder wurdest und erschöpft. Aber ich musste nicht sehen, wie du endgültig gebrochen wurdest. Ich musste nicht sehen, wie du deine Freude und deinen Funken verloren hast. Bis zum Ende durfte ich sehen, wie du lächelst. Ich durfte die Klarheit in deinem Blick sehen. Ich durfte sehen, wie du geleuchtet hast – trotz Allem. Es tat mir weh, deinen Kampf und deine Erschöpfung zu sehen, aber ich weiß jetzt, was gekommen wäre – danach. Ich habe gesehen, wie der Weg weitergeht, wenn die Kraft am Ende ist. Ich habe gesehen, wie dein Blick alt wurde, aber ich musste nicht sehen, wie er sich verschleiert hat. Wir mussten das nicht ertragen, alle zusammen nicht, und das ist ein Geschenk. Es war früh genug. Viel zu früh, aber früh genug.

Und auch wenn es schlimm klingt, wenn es grausam klingt, so wünsche ich anderen Eltern wie uns und ihren Kämpfern und Kämpferinnen, dass es bei ihnen, wenn es schon so sein muss, auch früh genug sein wird. Wenn ihre Kinder nicht leben dürfen, dann wünsche ich ihnen, dass es früh genug sein wird.

Ich kann dich als leuchtendes Kind in Erinnerung behalten, als lebensfrohes Kind, als lächelndes Kind. Und wenn ich dich schon nicht halten konnte, wenn ich dich nicht retten konnte, dann ist das das Größte, was ich mir wünschen kann.